EIGENARTIGES DEMOKRATIEVERSTÄNDNIS ODER MANGELNDES SELBSTBEWUSSTSEIN?

Der Grimmaer Oberbürgermeister Matthias Berger, wird nicht müde seinen Vorbehalten gegenüber Parteien Luft zu machen. Waren es zunächst nur mehr oder minder qualifizierte Bemerkungen, folgen seit dem Herbst letzten Jahres aktionistische Handlungen. So schloss er sich mit der Politikerin und Politikberaterin Hermenau, die bisher unter der Fahne der Grünen agierte, der Freien Wählervereinigung an. Ausgerufenes Ziel ist, die Freien Wähler aus ihrem bisherigen kommunalpolitischen Bereich auf die landespolitische Ebene zu befördern. Damit nehmen die Freien Wähler selbst die Rolle der von Ihnen so geschmähten Parteien ein. Parteien sind nämlich Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen.

Nun hat sich Oberbürgermeister Berger, von den Freien Wählern als Spitzenkandidat für den Stadtrat aufstellen lassen. Er begründet dies unter anderem damit, dass er damit ein Zeichen für die Freien Wähler auf Landesebene und für die Landtagswahlen setzen will. Die sonst von ihm den Parteien vorgeworfene Vermengung von kommunalpolitischer und landespolitischer Tätigkeit übernimmt Berger damit selbst. Die Kandidatur des Oberbürgermeisters markiert einen weiteren Höhepunkt einer überaus bedenklichen Entwicklung. Die Freien Wähler legen Handlungsweisen an den Tag, die sie den Parteien vorwerfen. Nach über 17 Jahren Politik ist er nun doch endgültig in der Riege der Geschmähten „Berufspolitiker“ angekommen und der 2012 groß angekündigte „Querausstieg“ wohl in die Ferne gerückt.

Der Schritt offenbart ein sehr eigenartiges Demokratieverständnis von Herrn Berger, zumal doch die Bevölkerung den Freien Wählern um Johannes Heine genug Selbstbewusstsein und Sachkenntnis zuspricht, selbst für ihre Überzeugung einzustehen und als erfahrene städtische Parlamentarier nicht der Schützenhilfe des Verwaltungschefs benötigen. 

Herr Berger weiß sehr genau, dass er sich um einen Posten bewirbt, der ihm Kraft Gesetz schon zusteht, denn laut Gemeindeordnung ist der Oberbürgermeister stimmberechtigtes Mitglied des Stadtrates. Herr Berger kann daher das Amt, für das er kandidiert, nicht antreten. Die auf ihn entfallenen Wählerstimmen gehen für dieses Position ins Leere.

Soll dies die neue Art der gesellschaftlichen Willensbildung sein, die sich die Freien Wähler vorstellen?

Es wird um Wählerstimmen geworben, die quasi unwirksam sind?

Soll so die Einbeziehung der breiten Bevölkerung nach Wunsch der Freien Wähler aussehen?

Ist das die propagierte Bürgernähe und wirkungsvolle Bürgerbeteiligung?

Oder ist diese Bewerbung ernst gemeint und möchte Herr Berger auf den harten Stühlen eines Stadtrates Platz nehmen und den Weg für Neuwahlen für den Posten des Oberbürgermeisters frei machen. Mit dem 01.09.2019 stünde dafür auch ein passender Termin zur Verfügung.

Am Ende wird Herr Berger seinen hehren Ansätzen seines Politikverständnisses nicht gerecht, da mit diesem Vorgehen den Wählerinnen und Wählern etwas vorgegaukelt wird. Das ist zwar rechtlich zulässig aber moralisch verwerflich. Es bleibt eben auch dabei, dass bezogen auf Herrn Berger „die da oben“ bei ihm als Lebensleistungs-Berufspolitiker anfängt. Ehrlicher wäre ein Kommunalwahlkampf der nicht durch diese Personalien aufgeladen ist.

 

Lutz Simmler

Stadtverbandsvorsitzender